Traditionelle Kirchen können von den Pfingstlern für ihre Predigt lernen

Die Predigtlehre und Predigtpraxis der Pfingstkirchen bietet viele inspirierende Lernimpulse für traditionelle Kirchen. Durch eine offene, wechselseitige Lernbereitschaft könnten alle christlichen Gemeinden lernen, ihre Predigt evangeliumsgemäßer und kontextbezogener zu gestalten. Diese Ansicht vertrat Christoph Schrodt bei seiner Antrittsvorlesung als neuer Professor für Praktische Theologie. Die Vorlesung stand unter dem Thema „Von den Pfingstlern lernen?!“ Homiletische Inspirationen im interkonfessionellen Dialog“. Homiletik beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, was eine gute Predigt im Gottesdienst ausmacht, wobei Christoph Schrodt betonte: „Der Unterschied zwischen einer pfingstlerischen und zum Beispiel einer ‚evangelikalen‘ Predigt liegt oft nicht in der Theologie, sondern in der Inszenierung.

Die Pfingstbewegungen entstanden 1901 / 1906 in Los Angeles aus verschiedenen theologischen Strömungen und konzentriert sich stark auf die sogenannte „Geisttaufe“ als „zweite heilsbiografische Erfahrung“ (neben der Bekehrung bzw. Wiedergeburt), als deren Erkennungszeichen die „Glossolalie“ (das Reden in einer für andere unverständliche Sprache) gewertet wird. Mittlerweile zählen die Pfingstkirchen mit rund 600 Millionen Anhängern weltweit mehr Mitglieder als alle klassischen protestantischen Kirchen zusammen.

Laut Christoph Schrodt hat sich erst in den vergangenen 20 bis 30 Jahren so etwas wie eine pfingstlerische Lehre der Predigt herauskristallisiert. Diese Predigtlehre gehe von folgenden Voraussetzungen aus: Eine Predigerin bzw. ein Prediger benötige eine starke Gewissheit und die Überzeugung, dass der Prediger von Gott die Gabe zum Predigen und der Prophetie erhalten habe: „Dabei müssen unbedingt beide Sätze zusammenkommen: Gott beruft die Begabten und Gott begabt die Berufenen.

Es gehe nicht nur um eine „gute“ oder „biblische“ Predigt – sondern die Predigt sei dann „gut“ und „biblisch“, wenn sie zur Gottesbegegnung führt. Das sei die Kernüberzeugung pfingstkirchlicher Predigtlehre. Auffällig sei jedoch, dass die Predigten in Pfingstkirchen oft „risikobereiter oder erwartungsvoller oder herausfordernder sind im Blick auf die erhoffte und verheißene Selbst-Inszenierung des Heiligen Geistes.“ Prophetische Predigt verwende dabei kühne und poetische Sprache, Bilder und Erzählungen, um eingefahrene Denk- und Handlungsmuster aufzubrechen. „Prophetisch“ betrifft in der Regel nicht die Zukunft, sondern meint die Sicht Gottes auf die Gegenwart.

Christoph Schrodt ist überzeugt:

„Die Predigt lebt, auch im 21. Jahrhundert, weil Gottes lebendiges ‚Wort‘ im Heiligen Geist immer wieder neu erfahrbar wird.“

Die Besonderheit des Predigens in den Pfingstkirchen sei etwas Tieferes und Fundamentaleres als die Betonung äußerlicher Merkmale. Es sei ein Hunger und Durst nach der lebensspendenden, lebensverändernden Gegenwart Gottes. Das Ziel ist, dass Gott selbst herabkommt in die Mitte der Versammlung.

Rektor Volker Gäckle, freut sich über den Dienstantritt von Christoph Schrodt als Professor: „Für die IHL ist die Besetzung dieser Professur mit Christoph Schrodt ein Meilenstein. Die Predigtlehre und Predigtkunst war und ist für den Protestantismus ein zentrales Anliegen. Sowohl im Blick auf Lehre und Bildung, als auch für die verkündigende Seelsorge und die Evangelisation ist die Predigt in den unterschiedlichsten Kontexten von entscheidender Bedeutung. Dass die Internationale Hochschule Liebenzell mit Christoph Schrodt einen ausgezeichneten Prediger, einen Pastor mit jahrzehntelanger Erfahrung und noch dazu einen wissenschaftlich ausgewiesenen Theologen gewinnen konnte, ist für uns ein großer Glücksfall.